Selbstständig machen als Fotograf – Tipps für den Start in die Selbstständigkeit

Selbstständig machen als Fotograf? Geht das überhaupt ohne eine passende Ausbildung in diesem Bereich? Kann man einfach so Fotograf werden? Und macht das jetzt überhaupt noch Sinn? Ich erzähle euch wie ich von einer Industriekauffrau zur Fotografin wurde und gebe euch wertvolle Tipps für den Start in eure Selbstständigkeit.

“Hey Mama, ich mach mich Selbstständig!”

Um ehrlich zu sein, war ich schon immer ein freier und spontaner Mensch. Mein Traum und die Leidenschaft zum Fotografieren war immer da. Als Kind hat mich die Fotografie schon gepackt, als ich mit der Kamera meiner Eltern losgezogen bin, um Momente einzufangen. Irgendwann kommt aber jeder mal an diesen einen Moment wo der “ernst des Lebens” los gehen muss. Man darf gar nicht mehr so viel auf sein Herz hören, was eigentlich für Neugier, Spaß und Liebe schlägt, sondern muss sich spätestens nach seinem Schulabschluss langsam orientieren und sich Gedanken darüber machen was man so erreichen will im Leben.

Ich. hatte. keinen. Plan.

Ich wollte was cooles machen. Habe Vorstellungsgespräche bei Fotostudios in Siegen gehabt, wollte im Tierschutz was bewirken und Wale retten, bevor ich mich dann (der Vernunft wegen) doch für eine Ausbildung im Büro entschieden habe. 3 Jahre Ausbildung zur Industriekauffrau. Ich kann euch sagen: Diese 3 Jahre Ausbildung waren die langweiligsten und unerfülltesten Jahre meines Lebens.

 

Ich hab auf meine Mitmenschen gehört und trotz täglicher Zweifel durchgezogen. Dann war ich Industriekauffrau. Juhu. Heute bin ich tatsächlich ganz happy damit. So kann ich ordentliche Mails aufsetzen, Rechnungen schreiben und weiß, wie man Steuersachen regelt. Nach meiner Ausbildung wurde ich “leider” nicht übernommen, war Arbeitslos, habe als Servicekraft in einer Spielothek und bei der AWO im sozialen Dienst gearbeitet. Anschließend bin ich irgendwie wieder in einem Büro gelandet und habe mir von meinem ersten “richtigen” Gehalt meine erste Kamera kaufen können. Eine NikonD60. Seitdem habe ich über 2 Jahre täglich fotografiert, gelernt, gelesen und probiert. Ich wurde immer besser und die Leute fanden meine Bilder cool. Ich war motiviert und alles entwickelte sich. Vom ersten Shooting für 50€, über Business Portraits von Firmen, bis ich zu einem größeren Auftrag der sich einige Monate zog. Das war der Startschuss meiner Selbstständigkeit zur Vollzeit – Fotografin.

 

Nur Mut. Keine Angst vorm hinfallen!

Kann es so falsch sein auf sein Herz zu hören? Keiner, dem ich von meiner Idee erzählte, war so richtig begeistert. Die meisten haben die Selbstständigkeit als große Spinnerei gesehen, alles hinterfragt und mit einem Lächeln im Gesicht förmlich darauf gewartet, dass ich scheitere. Aber wisst ihr was? Es ist scheiß egal. Scheitern gehört zum Leben dazu. Und Leute, die darüber lachen, lachen nur, weil sie selbst einfach kleine, begrenzte Menschen ohne Selbstbewusstsein sind und niemals die Eier hätten, sowas zu machen. Du wirst dich ärgern, wenn du es nie probiert hast. Leben bedeutet Neues. Ausprobieren. Neugierig sein. Hinfallen und aufstehen. Ich habe mir immer wieder eine Frage gestellt, die mir extrem geholfen hat bei meiner Entscheidung:

Was ist das schlimmste, das passieren kann?

Das schlimmste war also, dass ich keine Aufträge bekomme. Keine Aufträge bedeutet kein Geld. Mh. Ok. Das heißt, wenn die Selbstständigkeit nicht mehr läuft, müsste ich mich irgendwo auf einen Job bewerben und wieder arbeiten gehen. Also jetzt mal ehrlich. Wenn arbeiten gehen das schlimmste ist, das passieren kann, brauche ich doch wirklich keine Angst vorm scheitern haben, oder? Ihr seid also dadurch eigentlich wieder an dem Punkt, wo ihr vor eurer Selbstständigkeit wart. Wahrscheinlich sogar an einem noch besseren Punkt, denn eventuell müsst ihr nur noch auf Teilzeit arbeiten, da ihr euch wenigstens ein Nebengewerbe aufbauen konntet. Ist doch keine schlechte Situation, oder? 🙂 Ich denke heute noch so. Ich mache mir keinen Stress und Druck. Wenn es irgendwann nicht mehr läuft, arbeite ich wieder. Es bringt nichts sich über was-wäre-wenn Szenarien Sorgen zu machen. Leben ist Jetzt.

 

Erst mal nebenberuflich fotografieren.

Mein Tipp: Macht alles step by step. Arbeitet erst mal auf Teilzeitbasis in einem anderen Job, beziehungsweise reduziert eure Stunden des vorherigen Jobs, wenn ihr merkt, dass ihr Geld durch die Fotografie verdient. Ich würde euch nicht empfehlen ohne ein weiteres Standbein in eine Selbstständigkeit zu gehen. Mit einem Job habt ihr nach wie vor euer festes Einkommen, Steuern, Krankenkasse und nötige Beiträge werden gezahlt. Wenn ihr merkt es läuft gut mit der Fotografie, reduziert langsam eure Stunden. So habt ihr immer mehr Zeit für eure Selbstständigkeit als Fotograf. Außerdem habt ihr so das nötige Geld euch neben eurem Hauptjob ein Business aufzubauen. Ich finde der wichtigste und positivste Effekt bei dieser Herangehensweise ist aber, dass man mit weniger Druck an die Selbstständigkeit geht und dementsprechend entspannter bei der Kunden Akquise ist. Meldet eure Fotografie erst mal als Klein- oder Nebengewerbe an. Hier könnt ihr bis 17.500€ Umsatz im Jahr arbeiten, ohne die Umsatzsteuer oder die Gewerbesteuer zu zahlen. Ist auch buchhalterisch sehr einfach.

 

Die eigenen Ansprüche überdenken.

Ich persönlich glaube, dass die eigenen Ansprüche hier ein ganz wichtiger Punkt sind. Ich hatte nie große Ansprüche an mein Leben und habe Erfolg oder dicke Kohle erwartet. Ganz im Gegenteil. Mir war es sogar egal, ob ich weniger verdiene wie vorher. Hauptsache ich konnte tun was ich liebe. Ich glaube, wenn man mit zu großen Ansprüchen durch sein Leben geht, wird man viel zu oft enttäuscht. Negative Energie kann man nicht gebrauchen, vor allem nicht im kreativen Bereich. Macht euch vorab einfach mal richtige Gedanken über euch und eure Ansprüche. Wollt ihr euch Selbstständig machen, damit ihr Erfolg habt und viel Geld verdient? Damit ihr Ansehen bekommt? Oder wollt ihr euch Selbstständig machen, weil ihr glücklich sein wollt und das tun wollt, das ihr über alles liebt? Würdet ihr dafür auch Kompromisse eingehen und euer Leben einschränken? Wenn ihr die letzten 2 Fragen ohne zu Zweifeln mit ja beantworten könnt, steht euch nichts im Weg!

 

Habt Geduld mit euch selbst.

Die Welt wartet nicht auf euch. Es dauert Ewigkeiten anzukommen, feste Kunden zu haben und vor allem seinen fotografischen Stil zu finden. Gefühlt wird das wahrscheinlich niemals so richtig passieren, aber das ist voll okay. Alles ist ein Prozess. Ihr könnt nicht erwarten, dass alles sofort läuft und ihr super seid und bei jedem gut ankommt. Habt Geduld. Mit der Fotografie, eurem Prozess und mit euch. Es kommen gute Zeiten und schlechte. Man wird lernen müssen mit Kritik umzugehen und mit Erfolg. Findet euch langsam in eure Selbstständigkeit ein und gebt euch ganz viel Zeit dafür. Es macht so Spaß auf Dinge, wie neues Kameraequipment, hinzuarbeiten. Ich habe jedes Mal fast geheult, wenn ich mir von einem Job wieder ein neues Objektiv kaufen konnte. Alles kommt mit der Zeit.

Vertraue dir. Vertraue dem Leben.

Ein weiteres Problem sind Zweifel und Angst vor der Zukunft. Ihr müsst nicht alles planen. Könnt ihr auch gar nicht. Wichtig ist, dass ihr nicht aufhört und immer weiter macht. Wenn ihr etwas wirklich wollt, von ganzem Herzen, steckt ihr automatisch eure ganze Energie in diese eine Sache. Und glaubt mir: die Energie wird irgendwann zurückkommen. Wann weiß keiner, aber es wird passieren. Es gibt unglaublich viele, die nach 2 Jahren hinwerfen und sagen: läuft nicht. Erwartet nicht zu viel Erfolg in kurzer Zeit. Und versucht mit dem Flow zu gehen. Klingt deep, aber lernt euch zu vertrauen und dem Leben zu vertrauen. Alles wird sich step by step zusammen fügen, so lange man genug Zeit und Energie investiert. Lernt darauf zu vertrauen. Euch zu vertrauen.

 

Es gibt so viele gute Fotografen. Macht es jetzt überhaupt noch Sinn?

Na klar macht es Sinn! Nie waren Medien wie Fotos oder Videos so gefragt und so wichtig wie in der jetzigen Zeit. Unternehmen, Social Media, Privatleute – alle wollen Bilder. Fotografen sind gefragt. Wichtig ist natürlich hier seine Nische zu finden. Es gibt gefühlt 286428374 Hochzeitsfotografen in Köln, die alle geil, aber alle ähnlich sind. Ich würde euch also nicht unbedingt empfehlen, ein weiterer Wedding Fotograf mit einem Stil zu werden, den man schon etliche Male gesehen hat. Versteht das nicht falsch, meine Bilder sind auch nicht gerade etwas Neues, aber ich bin mittlerweile seit einigen Jahren dabei, konnte mir einen Namen erarbeiten und fühle mich mit meiner Fotografie wohl und erfüllt. Ich finde es allerdings äußerst schwer jetzt ein neues Business in einem Bereich zu starten, der so überfüllt ist. Man ist mittlerweile leider sehr leicht ersetzbar.

Inspiration und Stilfindung.

Die Frage stellt sich jeder Fotograf. Was will ich eigentlich machen? Ihr solltet euch zu Beginn vielleicht gar nicht fest legen, sondern einfach probieren. Ich glaube die Art zu fotografieren, spiegelt sich auch in dem Leben des Künstlers wieder. Schwer zu erklären, aber hört auf euer Herz und knipst so, wie ihr die Welt seht. Jeder hat seinen eigenen Sinn für Ästhetik, Licht, Farben, Perspektiven etc. Zu mir würde niemals ein kühler, cleaner Bildstil passen und damit wäre ich auch nicht happy. Die Fotografie, die ich ausübe, passt zu mir als Person. Das spiegelt sich in meinem Leben und meinem Geschmack und allem wieder. Es schwer ist sich nicht von anderen Künstlern beeinflussen zu lassen, wenn man täglich so viel viel Tolles zu sehen bekommt. Holt euch Inspiration. Aber kopiert nicht. Versucht eurem Geschmack und eurem  ganz eigenen Sinn für Ästhetik zu folgen und damit eine Inspiration für andere zu sein.

Fotografie ist etwas wundervolles…

Bitte habt immer Spaß beim Fotografieren. Fotografie ist kein Wettkampf, ein Streben nach Erfolg und Ansehen, oder ein Mittel sein Ego auf zu hübschen. Fotografie ist Kunst in jedem Sinne und eine Möglichkeit auszudrücken, wie ihr fühlt und die Welt seht. Geht bitte nicht zu verbissen an so eine schöne Sache und lernt Konkurrenz aus anderen Blickwinkeln zu sehen und vielleicht sogar neue Freunde durch die gemeinsame Leidenschaft zu gewinnen.

fotograf_selbstständig

 

To see the world, things dangerous to come to, to see behind walls, to draw closer, to find each other, and to feel. That is the purpose of life.

Hier empfehle ich euch 3 coole Bücher. Das erste Buch “Mut” von Oslo zählt zu meinen Lieblingsbüchern. Osho ist hammer!

 

Falls ihr weitere Motivation braucht empfehle ich euch meinen Blogbeitrag TUN WAS MAN LIEBT – Ziele setzen und Träume leben

anna

7 Comments

  1. June

    Oktober 27, 2018

    Ich bin so stolz auf dich! Auf deine Einstellung, deine Art zu motivieren, deine Lebenslust und natürlich auf deine Fotografie. ❤️

  2. Chrissi

    Oktober 27, 2018

    Wow – danke Anna, es ist echt verrückt.
    Das passt gerade so gut. Ich hatte gestern am gleichen Tag als dein Post online kam, mein erstes KD Shooting. Ich bin gerührt. Danke!!! <3

  3. Sarah

    Oktober 27, 2018

    Liebe Anna,

    vielen dank für diesen wundervollen Beitrag. Es ist so schön zu sehen mit welcher Freude di fotografierst und mit welcher Denkweise du an deine Arbeit gehst. Danke für die Motivation und dafür, dass du so eine unglaublich inspirierende Person bist!

    Sarah <3

  4. Jessica

    November 10, 2018

    OK, Butter bei die Fische. Als ich fertig mit lesen war, liefen Tränen. Ich weiß nicht warum, aber sie laufen einfach. Der Text hat mich absolut festgenagelt. Und so wie du es siehst, ist es. So und nicht anders. Punkt. Aus. Ende. Du bist eine wahre Inspiration!!

  5. Clinton Caffrey

    Januar 31, 2019

    Das gleiche ist eigentlich auch meine Meinung.

  6. Gina

    April 5, 2019

    Liebe Anna,

    danke für den tollen Beitrag und deine Ehrlichkeit – das motiviert total :). Ich lebe zur Zeit in Sydney und bin dabei meine Karriere als Photographin zu starten und ach wie lustig – ich habe auch eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht, weil ich nicht wusste, was ich will :D.
    Viele Grüße,
    Gina

  7. Bernd

    April 6, 2019

    Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Fotografen sind durchaus gefragt. Natürlich sollte man aus der Masse herausstechen. Das ist enorm wichtig.
    Mit besten Grüßen,
    Bernd

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